• Dies. Das. Und jenes.
  • Wieso? Weshalb? Warum?

Frau Lavendel

~ und ihre Kinder

Frau Lavendel

Kategorien-Archiv: Bekloppt

Wie war mein Tag, Liebling?

19 Montag Nov 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Das soll man sich ja gern auch selbst einmal fragen, wenn es kein anderer tut. Also zumindest niemand von den Personen, mit den man sich Tisch und Klo teilt.
Damit sich überhaupt jemand interessiert. Also, wie war er denn, mein Tag?

Ich sag mal so, ich liege gerade auf meinem Bett und erfreue mich des nahenden Tagesendes (ist lass das jetzt mal so stehen, obwohl das eventuell fragwürdig formuliert ist mit des Endes). Ein Stockwerk unter mir toben zwei fast Postpubertierende und necken sich.
„Aua, aua, nicht die Kniescheibe…“
„Du haarige Omma, huiiii, Schnuffel…“
Es ist fast wie früher, aber nur fast, denn früher musste ich einschreiten, heute hören sie von allein auf.
„So, ich muss los, die Kumpels warten.“
„Du kannst doch nicht deine Schwester immer allein lassen, das ist nicht in Ordnung!“
Meine Wampe ist voll mit Wrap und viel Salat, weswegen ich mich kurzatmig fühle. Ich war heute lange mit dem Hund im Wald, habe den Keller aufgeräumt, der von der Familie als Rumpelkammer benutzt wird (Dinge aus dem Regal holen, mitnehmen, nicht mehr brauchen, in den Keller werfen) und Wäsche gewaschen.
Und ich habe ein Päckchen bekommen.

Von wem habe ich ein Päckchen bekommen?
Von der Pistazienfirma. Die haben mir nämlich geantwortet auf mein heiteres Anschreiben. Und gleich noch eine Ersatztüte Pistazien geschickt. Und eine Beeren-Nuss-Mischung. Und getrocknete Apfelringe. Pistazien, darüber habe ich mich gefreut. Der Rest wird im Küchenschrank liegen, entweder bis zum Sanktnimmerleinstag oder bis zu dem Moment, an dem eine nationale Lebensmittelkrise mich dazu zwingt, getrocknete Apfelringe zu essen. Weil alles andere schon weg ist. Sogar der Klee auf der Wiese. Aber dann werde ich mich sehr über die Apfelringe freuen.
Oder es kommt jemand zu Besuch, der Apfelringe in getrockneter Form furchtbar gern mag.
Oder ich drehe sie meiner Nichte an, statt Gummibärchen. Das könnte erheiternd werden.

Wie war der Tag also?
Unspektakulär. Aber ich habe ein sehr gutes Buch ausgelesen.
„Mein Ein und Alles“
Ich war ein bisschen traurig, dass ich es ausgelesen habe, und ich war erleichtert, dass ich es ausgelesen habe, denn es war emotional herausfordernd.
Wenn jemand sich gerade fragt: „Verdammich, was soll ich nur lesen?“, ich würde „Mein Ein und Alles“ empfehlen.
Ich hatte es aus der Bücherei ausgeliehen, werde es mir aber noch selbst zulegen, denn Bücher, die mir ans Herz wachsen, habe ich gern in meiner Nähe.

Ansonsten hatte ich zum ich weiß nicht wievielten Male eine amerikanische Kiefernwanze im Bett. Die gehen mir maximal auf den Keks, diese stinkigen Mistviehcher. Plattklatschen geht nicht, weil sie stinken. Anfassen geht aus gleichem Grund nicht. Wegsaugen geht nicht, da stinkt der ganze Staubsauger. Also muss man sie möglichst vorsichtig einfangen und vor die Tür setzen. Und ist man nicht vorsichtig genug, stinken sie.
Und sie verlieren ganz schnell Beine. Da kann schon mal ein Bein auf dem Kopfkissen bleiben und wenn man ein bisschen sensibel ist, was Insektenextremitäten angeht, muss man sich mindestens das Kopfkissen frisch beziehen.
Ich hoffe, diese Mistwanzen frieren sich jetzt langsam endlich den Arsch ab und ich kann das Fenster wieder entspannt aufstehen lassen, in der Nacht, ohne dass ich solche Stinker zu Besuch bekomme.

Mein Tag, Liebling, war ein normaler Tag.
Und Deiner, Schatz?

November? Drogen?

01 Donnerstag Nov 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt, Krisengerüttel

≈ 3 Kommentare

Ich habe dann eine Menge zu tun. November, da wird der Toten gedacht und ich bekomme richtig Stress, weil ich überhaupt nicht weiß, wem ich jetzt zuerst gedenken soll und wem als zweites und wem dann und dann und dann.
Ich komme ja schon gar nicht mehr klar, wer überhaupt wann gestorben ist, wo ich doch kein Held der Jahreszahlen bin. Ich weiß ja nicht mal, ob ich schon vierzehn oder fünfzehn Jahre hier wohne, oder ob es vielleicht auch erst dreizehn sind.
Wie soll ich mir da merken, wann wer gestorben ist, zumal manche von denen, die mir jetzt ein Gedenken wert sind, schon in den Achtzigern ihren Abgang vollzogen.

November also, als Totenmonat bekannt. Bin ich froh, dass ich keiner kirchlichen Vereinigung mehr angehöre, sonst würde ich vermutlich noch auf irgendwelchen Friedhöfen herumstolpern und in Kirchen hocken, alleweile mir jemand vorerzählt, was es rund um Tod und Fegefeuer zu sagen gibt.
Dabei würde ich mich innerlich entsetzlich aufregen und bräuchte danach sehr viele Drogen, um mich zu beruhigen. Wie oft habe ich mir eigentlich schon gewünscht, ich würde richtige Drogen nehmen können?
Aber nein, ich bin eine Nullnummer, was den Drogenkonsum anbelangt. All das gute Zeug, angefangen bei Alkohol über Canabis hin zu tablettenförmigen Stoffen, kommt bei mir nicht gut an. Mein Körper ist ein Fimsch. Der verträgt nichts. Mein letztes Glas Wei hatte ich vor vierzehn Jahren. Oder zwölf. Es können auch dreizehn gewesen sein. Es war ein Grauburgunder vom Schwager des Mannes der Nachbarin, ein Winzer, und wurde von mir in einem sonnengewärmten Abendgarten getrunken. Noch nicht einmal ein ganzes Glas. Dreiviertel. Und schon war es vorbei mit mir. Die Beine fühlten sich an, als wären sie mit Blei ausgegossen und das Atmen fiel mir schwer. Kann sein, ich bin allergisch gegen Alkohol. Canabis versuchte ich mit sechzehn. Es war komplett für den Arsch. Die ganze Nacht hockte ich verstört in der Ecke. Danach habe ich nur noch anderen Menschen beim Konsum zugeschaut und mich gewundert, wie ihnen das soviel Freude bereiten konnte.
Andere Stöffchen waren mir seit je suspekt. Und so bin ich nur zu wenigen Gelegenheiten in den Genuß des Rausches gekommen. Einmal, ein einziges Mal habe ich es mit Alkohol vollbracht, auch mit sechzehn, danach war ich mit dem Thema durch. Vor anderen Sachen hatte ich soviel Angst, ich wäre schon vor der Einnahme zusammengebrochen.
Außerdem hatte ich in sehr jungen Jahren, als Kind von echten Achtundsechzigern mit großer Freude am Rauschen, schon genug gesehen.

Aber trotzdem habe ich meine Erfahrungen gemacht. Später. Medizinisch überwacht. Und das, ja das, das war wirklich fesch.
Kurz vor einer Operation, wenn der Sandmann sagt, gleich wird es schön, wird es so schön.
Die ganze Welt ist dann eine Blumenwiese. Nur als Beispiel. Es gab auch einmal eine kleine Tablette, die meinen Ruhepuls von hundertachtzig wieder auf ein Normalmaß senkte. Diese Tablette war ein Highlight. Fließende, bordeauxfarbene Samtstoffe zogen an meinem inneren Auge vorbei und ich fühlte mich, als hätte ich eine warme, weiche Wollkugel im Mund. Ich war sehr entspannt und ungestresst und alles war mir scheißegal. Sogar meine Kinder, und das kam eigentlich nie vor.

Aber ich gehe in keine Kirche, also brauche ich keine Drogen.
Ich mache mir meinen Totenmonat November selber. Ich denke an alle. Der Reihe nach, aber ohne Reihenfolge.
Und damit ich dabei nicht endgültig übern Bach gehe, mache ich mir eine Liste und zu jedem erinnere ich mich an etwas Nettes. Sonst wird das ein dermaßen trübsinniger Scheiß, soviel Propofol gibts nicht auf der Welt, dass man das erträgt.

Den Anfang auf der Liste macht die Person, durch die ich als Grundschulkind gemerkt habe, dass Menschen genauso sterben wie Hamster und weiße Mäuse. Ich war neun Jahre alt und von unserem Balkon konnte man in einen wunderschönen Bauerngarten sehen.
Oppa Schmitz. 
In diesem Garten habe ich mit den Enkeltöchtern von Oppa Schmitz Hindernisparcours aus Klapp-Gartenliegen, Springseilen und Ästen gebaut, die wir uns bei „Spiel ohne Grenzen“ im Fernsehen abgeschaut haben.
Und Oppa Schmitz hat uns in Ruhe dort spielen lassen, dieser hutzelige, kleine Mann in blauen Arbeitshosen, kariertem Hemd und Schiebermütze. Er hatte keine Angst um seine Dalien, Rosen oder Sonnenblumen, er wollte nur Ordnung nach dem Spiel. Das haben wir gemacht und alles war gut. Wenn wir genug Zeit mit dem Parcour verbracht hatten, sprangen wir über den Zaun und liefen durch Oppa Schmitz Felder, auf denen der Weizen stand und im Wind wogte, wie ein gelbes Meer, bis unsere Beine rotpockig juckten und wir uns noch ein bisschen im Garten auf die Wiese legten.

Oppa Schmitz starb. Seine Enkeltöchter weinten. Ich verstand nichts, sah aber, dass der Garten verschwand und stattdessen ein großes Haus entstand. Das Feld verschwand ebenso und eine komplette Neubausiedlung verdrängte den wunderschönen Weizen.
Ich weiß nicht mehr genau, wie sein Gesicht aussah. Ich weiß, wie sein Körper geformt war, was für Kleidung er trug, ich höre noch einen winzigen Ton seiner Stimme.

Man muss nicht immer Erbsen zählen

30 Dienstag Okt 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt

≈ 2 Kommentare

Es ist regnerisch und ich habe einen Deal ausgehandelt. Killerdog geht mit dem Hund in das stürmische und nasse Wetter hinaus und ich räume dafür die Küche auf, die er mit seinen Kochanfällen verunreinigt hat.
Fünfhundert Gramm Käsetortellini mit Tomatensoße hat er sich gekocht und brav alles aufgegessen. Danach beklagte er sich über Magendrücken und so empfahl ich ihm eine Runde mit dem Hunde und ich machte es ihm schmackhaft mit dem Reinigungsverzicht seinerseits meinerseits. Oder so.

Ich denke, es war eine Win-Situation für mich, denn auf Regenwetter habe ich zwar generell schon Lust, denn hier ist es immer noch trocken wie in der Wüste, aber auf Rumlaufen im kühlen Nass kann ich sehr gut verzichten.

Nachdem ich die Küche gereinigt hatte, was exakt drei Minuten dauerte (und wieder ein Win für mich!), schnappte ich mir ein Tütchen Pistazien und legte mich aus gesundheitlichen Gründen in die Ecke.
Ich riss das Tütchen auf, nahm die erste Pistazie zur Hand und ohweh, es war nichts drin. Aber als alter Pistazienvernichter weiß ich, dass Pistazien gern aus der Schale flüchten und dann am Tütengrund auf mich warten.
Die zweite Pistazie war leer. Die dritte? Leer. Und so ging das weiter und weiter.
Und ich war irgendwann enttäuscht. Sehr enttäuscht. So enttäuscht, dass ich anfing, die leeren Pistazien zu zählen. Und dann zählte ich die gefüllten Pistazien. Und die losen. Als ich alles durchgezählte hatte, dachte ich, es sein an der Zeit, der Pistazienfirma einmal ein paar warme Worte zu schicken, wo ich doch kürzlich schon ans Radio geschrieben hatte. Also nicht lange gezaudert und eine Nachricht verfasst:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern kaufte ich mir eine Tüte Kalifornische Pistazien.
Voller Vorfreude öffnete ich heute die Tüte, nahm die erste Pistazie heraus und wollte mit dem Genießen loslegen.
Die Pistazie war leer.
Kein Problem, dachte ich, sie wird irgendwo in der Tüte herumschwirren.
Und nahm mir die nächste. Die Pistazie war leer.
Und wieder dachte ich, da bekomme ich gleich Pistazien, bei denen muss ich gar nicht erst die Schale knacken.
Die dritte Pistazie war leer. Die vierte ebenfalls.
Nun wurde ich etwas unruhig und schüttete den Inhalt aus der Tüte.
Von den insgesamt 122 Pistazien in der Tüte, ja, ich hatte gerade nichts anderes zu tun und habe sie gezählt, was ich selbst höchst verwunderlich finde, da ich eigentlich nicht auf Erbsenzählerei, geschweige denn Pistazienzählen stehe, von den 122 Pistazien waren 21 leer. Einfach nichts drin. Und es befanden sich gerade einmal 2,5 Pistazien lose in der Tüte.
Die restlichen 101 Pistazien waren natürlich perfekt.
Nur die 21 leeren Hüllen haben mich schon verwundert.
Vielleicht kontrollieren Sie einmal Ihre Pistazieneintütmaschine, ob da alles richtig läuft.
Damit nicht noch mehr Tüten bei mir landen, bei denen ich Anwandlungen von Pistazienzählerei erleide.

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen,

Frau Lavendel“

Jetzt geht es mir wieder besser. Und nach all der Zählerei fiel mir ein, dass ich wirklich gern einmal wieder etwas mit Erbsen essen würde.

Was ich mit mir bespreche

20 Donnerstag Sep 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt

≈ 3 Kommentare

Der heutige Tag war erfüllt von Selbstgesprächen. Es gibt Dinge, die man am Besten mehr oder weniger intensiv mit sich selbst klärt.
Hier nun eine kleine Auswahl des heutigen Tages.

Am Morgen
Hirn: Guckt mal auf die Uhr.
Augen: 7:75 Uhr.
Hirn: Wtf??

Am Mittag
Ich: Wir müssen zur Drogerie.
Hirn: Okay. Was brauchst du?
Ich: Kloreiniger, Spüli, Zahnbürsten, Taschentücher, Scheuermilch.
Hirn: Schreibs auf.
Ich: Brauch ich nicht.

Später
Hirn: Und? Alles erledigt?
Ich: Ja klar.
Hirn: Echt?
Ich: Klaro!
Hirn: Und die Zahnbürsten?
Ich:
HALT DIE FRESSE!

Am Abend
Ich: Jetzt hätte ich große Lust auf ein Eis.
Hirn: STOPP! HALT! Du weißt, was dann passiert.
Ich: Aber ich habe solche Lust, ein Eis zu essen!
Hirn: Und was passiert, wenn du das Eis gegessen hast?
Ich: Nix.
Hirn: Ach nein? Keine Bauchschmerzen? Keine beschleunigte Darmpassage?
Ich: Vielleicht. Aber eher bestimmt ganz sicher nicht.
Hirn: Pass mal auf, meine Liebe. Ich erkläre es dir noch einmal ganz ausführlich.
Du isst das Eis und ein bis zwei Stunden später kommt es in siebzig Prozent der
Fälle zu durchschlagenden Schmerzattacken im unteren Bauchbereich mit
ausgiebigen Aufenthalten im Bereich der Ausscheidungsentsorgungsmöbel.
Ich: Stimmt doch gar nicht.
Hirn: Doch. Ich weiß es. Ich bin dabei.
Ich: Aber in dreißig Prozent der Fälle geht alles gut und es passiert nichts und
dreißig Prozent sind schon sehr viel und sehr viel ist viel mehr als die Hälfte,
also meistens und das heißt, das geht auf jeden Fallen oft und meistens immer
gut. Auf jeden Fall.
Hirn: Was ist das für eine bekloppte Art zu rechnen?
Ich: Das ist pure Logik.
Hirn: Ich sage es dir noch einmal in aller Klarheit. Die Rechnung ist selbst für ein
Milchmädchen nix.
Ich: Ist mir doch egal. Eis her.

Zwei Stunden später
Ich: Aua Aua Aua Bauch Aua…
Hirn: Naaaa… was hab ich dir…
Ich: HALT DIE FResse auaauaaua…

In der Nacht
Hirn: Dem Himmel sei Dank. Sie schläft endlich.

So sieht das aus, in dem runden Ding auf meinem Hals, zwischen meinen Schultern.

(Für meine Schwester)

Was man heute sagen und singen darf

13 Donnerstag Sep 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt

≈ Ein Kommentar

Soweit ist es schon mit mir gekommen, dass ich Emails an Radiosender schreibe.

Ich saß im Auto mit dem Wolkenköpfchen. Das wollte in die Fahrschule und ich wollte eigentlich nichts. Nur noch vor mich hin vegetieren. Der Tag war hart und lang und ich war, nach Kämpfen mit Vorhängen, Wasserkästen und dem Drucker, der so tat, als sei er nicht da (was für ein netter Titel für eine Geschichte: „Der Drucker, der tat, als sei er nicht da“, gefällt mir) auf einem erhöhten Aggressionslevel.
Da kam mir Alanis Morisette gerade recht. „You oughta know“ schmetterte sie durch das Auto und ich fühlte mich gleich ein bisschen besser.
Erheiternd fand ich, dass die Zeile „… are you thinking of me when you fuck her?“ auch heute, zu Zeiten, wo eine Bezeichnung der Geschichte des Dritten Reichs als Fliegenschiss straflos erfolgen darf, ein kleines Fuck immer noch ausgeblendet wird.
Aber schon durch das nächste Lied legte sich meine Erheiterung und machte dem nächsten Wutanfall Platz.
Denn ein gewisser Dean Lewis, dessen Name mir absolut gar nichts sagte, sang „… I know it wasn’t right, but it was fucking with my head“. Klar und deutlich und keineswegs ausgeblendet. Herr Lewis darf also, was Frau Morissette nicht darf?
Warum?

Und genau diese Frage schrieb ich kurz und bündig an das Radio.
„Warum wird bei Alanis Morissette „Are you thinking of me when you fuck her “ ausgelassen, wohingegen Dean Lewis ohne Probleme „but it was fucking with my head“ vor sich hinträllern darf?
Ist das in Ordnung?
Ich finde es nicht in Ordnung. Entweder dürfen beide fucken oder keiner.
Denkt einmal darüber nach.“
Und stellt Euch vor, nur Minuten später antwortete mir das Radio:

„Hallo Frau Lavendel,
das ist ein berechtigter Hinweis. Eigentlich sind da nicht empfindlich, und deshalb läuft dieser neue Song von Dean Lewis genau so. Vor 20 Jahren war man allgemein etwas zurückhaltender, diese Version des Alanis-Morissette-Songs wurde damals von der Plattenfirma so produziert, und das ist die, die wir heute noch spielen. Könnte man in der tat mal austauschen. Danke!

Beste Grüße
der Radiomann“

Dann wollte ich bei youtube die Songs noch einmal nachhören.

Bei einsfünfzig singt sie das anstößige Fuck. Und es hört sich an, als würde ihr jemand das Wort zurück in den Hals drücken.

Er hier singt bei knapp fünfundfünfzig Sekunden klar und deutlich sein Fuck.

Aber an den Laden schreibe ich jetzt nicht. Ich bin nicht mehr aufgeregt genug. Meine Echauffierung ist einer Müdigkeit gewichen. Und auch eine Petition werde ich nicht einreichen, denn es ist nun einmal so. Vor zwanzig Jahren hätte auch Herr Lewis nicht Fuck sagen dürfen.

Und heute darf man eben Sachen sagen, gegen die ist Fuck ein echter Fliegenschiss.

MacGyver-Diplom

08 Samstag Sep 2018

Posted by fraulavendula in Allerlei, Bekloppt

≈ 4 Kommentare

Die Kaffeemaschine meiner Mutter ließ Kaffee nur noch in Maßen aus sich herauströpfeln. Wäre sie ein Mann auf dem Klo, die Diagnose würde Prostatahyperplasie lauten. Das Symptom, mann möchte gern und kann doch nicht, lieferte die Maschine sehr eindrücklich. Auf einer Seite schien die Düse sogar kurz vor dem endgültigen Aus zu stehen. Nur noch wenige Tropfen pressten sich heraus.
Gestern noch scheiterte ich an der Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Düsenpinöckel, ich schaute bereits nach neuen Modellen. Aber es kamen mir auch Tutorials unter, wie man so eine Problematik möglicherweise beheben könnte.
So versuchte ich es heute gleich noch einmal. Ich kämpfte mit einer Verkleidung, ich zupfte sehr viel Schleim in braunschwarz hervor und letztlich konnte ich mit Hilfe eines Schraubenziehers, einer Pinzette, drei Pfeifenreinigern und fünf Wattestäbchen die Maschine heilen. MacGyver hätte sich von mir eine schöne Scheibe abschneiden können. Es gibt also wieder Tassen gefüllt mit Kaffee im Haushalt meiner Mutter, zu ihrer hellen Freude.

Nachdem ich diese Sache erledigt hatte, kümmerte ich mich um das Auto des ehemaligen Fürsten der Finsternis, den man umbenennen muss, heutzutage. Die Pubertät liegt hinter ihm, er ist ab Oktober ein voll ausgebildetes, arbeitendes Mitglied der Gesellschaft, das in seiner eigenen Wohnung sein eigenes Leben lebt. Bis das Auto kaputt geht. Dann bekomme ich den Anruf. Ich habe ihm empfohlen, Mitglied in einem Automobilrettungsverein zu werden. Könnte sich als hilfreich erweisen. Heute jedoch eilte ich zur Rettung. Genau wie schon vor zwei Wochen. Vor zwei Wochen lag das Problem in lauten Geräuschen, die mich dazu anhielten, sofort für einen Aufenthalt in einer Werkstatt zu sorgen. Eine Kette im Auto, statt eines Zahnriemens, sieht nach dem Ausbau aus wie eine olle Fahrradkette. Der Meister zeigte mir alle schadhaften Utensilien, die er aus dem Auto ausbaute. Sehr interessant war das.
Jetzt weiß ich auch, wie man den Fürsten noch nennen kann. Meister der Fokussierung. Er war nämlich so auf das Lernen fokussiert, dass er dabei sämtliche störenden Autogeräusche ausgeblendet hat. Fokus-Meister.
Heute war es so, dass das Auto nicht mehr ansprang, weswegen ich zum Fokus-Meister eilte. Ich setzte mich ins Auto, drehte den Schlüssel, das Auto machte genau gar nichts und ich stellte umgehend die Diagnose Batterieversagen.
Wegen fehlender Starthilfekabel rief ich den Automobilrettungsverein, der bestätigte meine Diagnose, mit wenigen Handgriffen brachte er das Auto wieder an den Start und entschwand. Ich beglückwünschte mich selbst zu meiner treffsicheren Situationsbeurteilung und fand mich toll. Erst die Kaffeemaschine, dann das Auto, ich bin ein echter Hecht.

Später dann am Tag, noch immer getragen von dem Gefühl, ich könne alles und wisse alles, ging ich in den Supermarkt, um ein paar Kartoffeln und Eiscreme zu erstehen. Im Laden war noch recht viel los. Unter anderem kicherten sich drei Mädchen um die elf, zwölf Jahre durch die Gänge. Ich war ihnen bei den Limonaden begegnet und sie machten mir, als ich sie höflich darum bat, auch sofort Platz, um mich mit meinem Einkaufswagen durchzulassen. In ihrem Einkaufswagen befanden sich eine Gurke, Nudeln, dies und das, ich vermutete, sie wurden von Erwachsenen geschickt, um einzukaufen. Auf jeden Fall hatten sie viel Spaß und waren, dem Alter entsprechend, wunderbar albern.

An der Kasse, als ich meine Kartoffeln, Eiscreme und sonst noch allerhand andere Dinge auf das Warenbeförderungsband legte, hörte ich die Mädchen wieder lauthals kichern und lachen. Und ich hörte eine dröhnende Männerstimme.
„Ihr müsst das mal lernen, das Stillsein…“
Ich drehte mich um und sah einen großen, dicken Mann in Shorts und T-Shirt, fünf Mal so groß wie die drei Mädchen zusammen, vor ihnen stehen und sich aufpumpen.
„Bitte, was haben Sie gesagt?“, fragte ich ihn mit lauter Stimme. Dummdreist grinste er mich an. „Ja, Mädchen müssen lernen, auch einmal still zu sein!“, blökte er mir rüber.
„Oh nein!“, rief ich genauso laut zurück. „Mädchen! Mädchen müssen lernen, sehr laut zu sein. Dringend. Und dicke, laute Männer, die müssen dringend lernen, einmal still zu sein!“
Der dicke, laute Mann guckte mich an, das Grinsen entschwand und murmelnd schob er zügig seinen Einkaufswagen in Richtung Fleischtheke.
„Mädchen! Seid laut. Bitte. Hört jetzt bloß nicht auf damit!“, rief ich den Mädchen zu, die sofort wieder kicherten und im Süßwarengang verschwanden.
Die Verkäuferin schaute mich lachend an, nickte wohlwollend und ich sagte: „Ja meine Güte, das geht doch nicht. Manchmal, da kann ich nicht mehr an mich halten, wenn ich so einen Scheiß höre.“
Sie nickte und lachte weiter und wünschte mir ein besonders schönes Wochenende. Ich ihr auch.

Dicke, laute Männer. Legt Euch nicht mit einer Frau an, die ihr MacGyver-Diplom abgelegt hat. Lasst kleine Mädchen in Ruhe und wagt es nicht, sie zu Stille und Schweigen anzuhalten. Seid selber still und geht weg. Nachdenken. Geht nachdenken.

Trotzdem aufstehen

06 Donnerstag Sep 2018

Posted by fraulavendula in Allerlei, Bekloppt

≈ Hinterlasse einen Kommentar

Manchmal möchte man dreißig Sekunden nach dem Wachwerden einfach wieder einschlafen, nur damit man nicht denken muss. Es ist so angenehm, an nichts zu denken. Direkt nach dem Aufwachen, wenn das Hirn noch träge ist und die Gedanken sich noch nicht sortiert haben. Sie flitzen durch den Kopf und lassen sich gar nicht richtig denken, sind viel zu schnell. Dann aber kommt dieser Augenblick, an dem klärt sich die Sicht, das Hirn kommt in Gang und erkennt und versteht die Gedanken, die eben noch vorbeiflogen. In diesem Augenblick ist das Gestern und Vorgestern wieder da, und noch viele vergangene Tage mehr. Mit allen Geschehnissen.

Dann freut man sich aus ganzem Herzen auf den Abend, an dem man sich wieder ins Bett legen darf. Ist ja auch schön, sich den ganzen Tag auf etwas zu freuen.
Heute morgen habe ich darüber nachgedacht, ob es nicht sinnvoller wäre, einfach liegen zu bleiben. Die Augen fest zukneifen und im Kopf leise murmeln: Keiner da, keiner zuhause, keiner da, keiner zuhause.
Zumal ich gefühlt die halbe Nacht in meinem Traum versuchte, dem Gutfrisierten in einer fremden Stadt meinen Standort per Handy mitzuteilen, damit er mich finden und mit mir gemeinsam das Auto suchen könnte, von dem ich nicht mehr wusste, wo ich es geparkt hatte. Aber das Handy spielte nicht mit, zeigte mir nur ständig Werbung für Käsebrote und Handtaschen.
Als ich wach wurde, hatte ich einen völlig verspannten Nacken, vermutlich weil ich die ganze Nacht nach unten auf das Handy in meiner Hand gestarrt hatte. Oder möglicherweise, weil ich mein Kissen im Schlaf auf unphysiologische Art unter meinen Kopf geknüddelt hatte. Das scheint mir wahrscheinlicher.

Liegen bleiben oder nicht, fragte ich mich also, während ein heftiger Regen auf das Dachfenster prasselte. Und mein Nacken zwirbelte. Meine innere Stimme ermahnte mich streng: Bei Verspannungen helfen Bewegungen, also heb den Hintern hoch.
Ich antwortete der inneren Stimme, sie würde mich maximal abnerven und ich hätte keinerlei Interesse an ihren klugscheißerischen Äußerungen. Sie solle sich in die Ecke legen und stille schweigen.
Inneren Stimmen sind nicht zimperlich, auch nicht empfindlich, die antworten umgehend und unhöflich.
Also stand ich doch auf. Ich bewege mich heute, wie es die innere Stimme befiehlt. Ich war die sehr große Runde mit dem Hund spazieren, auch wenn es kübelte und der Hund zum ersten Mal seit langem eine Matschansammlung auf vier Beinen wurde. Ich kreiselte dabei mit den Schultern, ich drehte den Kopf hin und her, dehnte hier, dehnte da. Anschließend duschte ich so heiß es ging, ließ mir das Wasser direkt ins Genick prasseln. Dann erledigte ich moderate Arbeiten.
Und dann sagte ich meiner inneren Stimme: Oller Penner! und legte mich auf die Couch. Meinen Kopf mit einem Kissen abgestützt hing ich herum, verschwendete Zeit, die mir wahrscheinlich irgendwann hintenraus fehlen wird, mit albernen Filmchen und was man sonst noch macht, im Internet.

Kurze Zeit später rief die Werkstatt an, um mir mitzuteilen, das Auto sei fertig. Und wieder ließ ich ein kleines Vermögen dort. Der Werkstattmeister hatte herausgefunden, warum mein Auto und ich so leicht von Holländern gemobbt werden konnten. Warum das Auto fuhr wie ein alter Eselskarren, zumindest bergauf.
Es war irgendwas mit Luft, Zündkerze, Filter, Aditiv und Nüssen. Die Nüsse lagen im Motorraum und es war etwas Angekautes daneben.
Nun fährt das Auto mit Elan und Schwung und ich habe große Lust, ins Allgäu zu fahren, um mir weitere Grenzerfahrungen im Berreich der Herzleistung zu genehmigen.

Leider muss das warten, es stehen noch ein paar beinharte John-Wayne-Jobs auf dem Programm.

Nachlese

03 Montag Sep 2018

Posted by fraulavendula in Allerlei, Bekloppt

≈ 4 Kommentare

Man kommt aus dem Urlaub, trotz der Kürze einigermaßen erholt, zumindest aber recht gut gelaunt, da hängt schon am nächsten Tag das Leben vor der Tür herum, klingelt Sturm und lässt sich nicht in seine Schranken weisen.

Es gibt viele wunderbare Ratschläge, wie man die Urlaubserholung in den Alltag rettet, wie man möglichst lange profitiert von der Entspannung. Ganz ehrlich, druff jeschissen.
Ich kam Sonntagnachmittag zurück, genau vierundzwanzig Stunden später war es, als wäre ich nie weg gewesen. Und egal wie sehr ich mich anstrengte, die Entspannung regelrecht krampfhaft festzuhalten versuchte, sie entschwand schneller als ein Stück Klopapier in der spülenden Toilette.
Kaputte Autos, kranke Familienmitglieder, eine von innen verschimmelte Spülmaschine, Familienmitglieder im Examensstress, es gibt so vieles, das einem die Erholung verhageln kann. Und wenn es alles auf einmal hereinspringt, dann lehnt man den Kopf erst an die Wand, beginnt dann vor und zurück zu schwingen, wobei man sanft und rythmisch die Stirn vor den Putz tippt, bis selbige sich rötlich einfärbt. Wohl dem, der einen Hund hat, der fassungslos daneben sitzt und leise Geräusche von sich gibt. Dadurch kommt es nicht dazu, dass sich auch der Putz rot färbt.
Der Hund beobachtet weiter und schaut auffordernd. Ganz nach dem Motto: Komm, Schätzelschen, lass` mal in den Wald kacken.
Also schnappt man sich Leine und Tier und läuft los. Und siehe da, das Höhentraining hat sich ausgezahlt. Die üblichen Spazierwege sind echter Pipifax und das Herz kommt nicht einmal auf die Idee, sich zu beschleunigen. Erstaunlich.
Zwar fehlt bei all den Bäumen drumherum der Ausblick in die Ferne, vor allem der auf die Berge, trotzdem fühlt sich die Bewegung an der frischen Luft gut an und hilft ein bisschen, das ganze Geschisse von zuhause in die Hinterzimmer zu schieben.

Schön wäre ja, man könnte die Hinterzimmertür langfristig verbarrikadieren. Würde Dramen und Tragödien einfach einsperren und alleweile ein nettes Leben leben. Wunschdenken.

Wann ist eigentlich wieder Urlaub?

Reisebericht, der siebte Tag

25 Samstag Aug 2018

Posted by fraulavendula in Bekloppt, Rama-Familie, So daher

≈ 8 Kommentare

Wieder ist ein Tag im Allgäu vergangen und ich muss sagen, dass es bedauerlicherweise der letzte war und morgen früh die Reisegruppe Rheinland zurückkehrt in die Tiefebene.
Auch dieser Tag brachte Erlebnisse in Hülle und Fülle. Überraschend stand eine Wanderung auf dem Programm, man hätte es kaum vermutet. Diesmal ging es entlang eines Wildbachs mit angeschlossenem Wasserfall. Die Gegend war uns nicht gänzlich unbekannt, sind wir doch bei früheren Aufenthalten schon dort entlang gewandert. Aber es ist keinmal so wie davor. Oder besser gesagt, es ist jedes Mal anders. Stets entdeckt man Dinge, die zuvor übersehen wurden. Bei manchen ist es kaum verwunderlich, sind sie doch winzig klein oder nagelneu, bei anderen wundert man sich, wo man seine Augen hatte. Diesmal tauchte eine Kegelbahn auf, die ich nie zuvor gesehen hatte, die aber offensichtlich schon länger existiert.

Ich kam mir ein bisschen wie einer von den Leuten vor, die in Ruinen fotografieren. Und ich fragte mich, und das tue ich immer noch, wie konnte ich die Kegelbahn übersehen? Sie ist eigentlich nicht zu übersehen. Man geht direkt neben ihr entlang? Oder habe ich sie gesehen und das auch gleich schon wieder vergessen? Beide Optionen sind beunruhigend.

Die weitere Wanderung war geprägt von Begegnungen mit der Tierwelt. Den Anfang machte ein Schaf, dass mit Hörnern und einem prachtvollen Fellchen aufwartete. Außerdem war es unglaublich neugierig und wäre gern mit uns gewandert, hätte der Elektrozaun das nicht verhindert.

Es gefiel mir sehr gut, wie es mit seinen kleinen Stampfebeinchen auf uns zu kam und auffordernd schaute. „Redet mit mir, nehmt mich mit, ich möchte Abenteuer erleben!“, schien es uns zuzurufen.
Unterhalb seiner Wiese war eine Baustelle, dort wurde ein neues Haus gebaut. Die Allgäuer Buam, die dort beschäftigt waren, tranken schon zeitig ihr erstes Bier, was darauf schließen lässt, dass Bier in der Gegend auch als Frühstück durchgeht.

Das Schaf musste bleiben, wo es war. Wir wanderten weiter. Den Bach hinauf, den Wasserfall bewundernd, mit Steinchen werfen, illegale Wege erklimmend. Meine Kondition zeigte sich at it`s best und ich schwitzte wenig. Das kann aber auch an der Temperatur gelegen haben. Zwölf statt zweiunddreißig Grad Celsius, das macht doch einen Unterschied. Offenbar bin ich bei niedrigeren Temperaturen etwas belastbar, wenngleich mir nach den ersten zehn Minuten der Kakao aus dem Hals springen wollte. Das Herz klopfte nach wie vor ekstatisch, meine Panik kam trotzdem nicht recht in Schwung, was mir sehr recht war.

Kühe, natürlich trafen wir Kühe, wie sollte es anders sein. Heute trugen die Kühe keine Glocken. Warum? Wir wissen es nicht. Vielleicht ist heute Glockenruhetag. So merkwürdig, wenn eine gespentische Ruhe über der Herde liegt.

Da stehen sie und wundern sich.
Oder auch nicht. Man weiß nicht, was sie denken, diese Kühe. Ob sie sich den Pony alle beim Kuh-Coiffeur schneiden lassen?
Es gab übrigens eine Menge Reibereien in der Herde. „Aggressiver Grundstimmung!“ urteilte das Wolkenköpfchen und da war was dran.
Diese beiden Damen hatte ordentlich Ärger miteinander:

Die Dunkle mobbte die Helle. Die Helle lief weg, die Dunkle hinterher und schubste sie ständig mit dem Kopf gegen den Euter. Irgendwann rannten sie im Affenzahn kreuz und quer über die Wiese, die anderen Kühe schauten träge hinterher, zwei Kühe leckten sich die Köpfe ab, eine kackte im Strahl, und die beiden Kombatanten drehten sich im Kreis umeinander. Eine Viertelstunde schauten wir ihnen zu, wie sie ihre Probeme recht körperlich austrugen. Dann beruhigte sich die Szene. Ich hatte bis dahin noch nie eine Kuh rennen sehen. Es hat mich gebührend beeindruckt und ich musste an Margaret Rutherford denken. Wäre sie je gerannt, es hätte ähnlich ausgesehen. Glaube ich. Überhaupt haben Kühe etwas menschliches.

Ein Oh-wie-süß-Häschen gab es auch am Wegesrand. Es ließ sich sogar mit Gras füttern. Als ob die Halme außerhalb des Geheges besser schmecken würden als die innerhalb. Ich verstehe die Logik dahinter. Bei Menschen ist es ja auch mitunter so, dass die Dinge, die knapp außerhalb der Reichweite liegen, die besten sind.
Aber im Grunde ist das ein Trugschluss. Muss man aber erst mal merken. Auch als Mensch.

Das erschütterndste Bild des Tages, ich habe lange darüber nachgedacht, ob man es wirklich zeigen kann, weil es von der Gewalt der Autoreifen zeugt, war ein überfahrener Frosch. Aber ich bin der Realität verpflichtet.

Um verletzliche Seelen zu schonen, habe ich es aber kleiner gemacht. Damit man nicht von der Wucht der Gewalt, die einem Frosch durch ein Auto angetan werden kann, überfahren wird. Nein, dass ist jetzt ungeschickt ausgedrückt.
Damit es nicht so eklig aussieht, wie es in Wirklichkeit ist. Auch nicht besser.
Wechseln wir einfach das Thema und kommen zu den Schnecken.

„Die schläft.“ sagte der Gutfrisierte zu seiner Tochter.
„Die ist tot!“ sagte Frau Lavendel zu ihrer Tochter und drehte die Schnecke um.

„Die ist ausgezogen.“ sagte die Tochter und wendete ihre Aufmerksamkeit einer weiteren Schnecke zu.

„Das ist ihr neues Haus.“
Gut. Wenn also jemand eine Schnecke kennt, die dringend eine neue Behausung sucht, im Allgäu ist kürzlich etwas frei geworden.

Dann kam die Wanderung langsam zum Ende. Wir beobachteten noch einen Archaeopteryx, der möglicherweise ein Reiher war und der hingebungsvoll auf einen Gartentisch kackte, im Überflug. Es ließ sich leider nicht fotographisch festhalten. Der Vogel war einfach zu schnell. Und wir rätselten über ein Schild mit einem Witz. Wir wanderten nämlich ein Stück entlang des lustigen Wanderwegs, der mit Witzen gradezu gepflastert ist. Aber dieser Witz ist mir und dem Rest der Reisegruppe ein Ällgäuer Rätsel geblieben.

Sollte irgendjemand den Witz verstehen, ich wäre dankbar für eine Erklärung. Kann ja sein, dass es ein echter Schenkelklopfer ist. Den möchte ich natürlich nicht verpassen.

Nach der Wanderung gaben wir uns dem Müßiggang hin, jeder auf seine Art. Lesend, daddelnd, dösend. Dann fuhren das Wolkenköpfchen und ich noch einmal in den Supermarkt, holten dies und das, tankten anschließend das Auto voll und nahmen schon ein bisschen Abschied. So traurig es ist, morgen endet nämlich die Reise. Es geht zurück in die Heimat.
Zum letzten Mal bei dieser Reise stellte sich die Frage, wo essen wir. Und der Gutfrisierte äußerte den Wunsch, noch einmal hinauf auf die Alpe zu laufen und ein Kraut zu essen. Ich war mäßig begeistert, wieder eine halbe Stunde den Berg hinauf zu schnaufen. Das Wolkenköpfchen wollte gar nicht mit. Trotzdem opferten wir uns und hampelten hinauf. Ich legte zwischendurch meinen Schal, der bei elf Grad getragen werden kann im Flachland (bei Aufstieg am Berg wird es auch bei elf Grad warm), dem Gutfrisierten um die Taille und ließ mich ein gutes Stück den Berg raufziehen. Ich muss schon sagen, das hätte ich viel früher machen sollen. Hätte ich vier Herzkasperl weniger gehabt.

Oben auf der Alpe angekommen, erschütterten uns Geräusche. Wir dachte, bei dem Wetter ist da keiner, wir werden ganz allein dort sitzen und unsere Bratkartoffeln und das Kraut essen. Mitnichten. Der Laden war brechend voll mit laut redenden, singenden und jodelnden Eingeborenen. Auf den ersten Blick schienen es hundert, in Wirklichkeiten waren es vielleicht fünfunddreißig in der einen Hälfte des Raumes und zwanzig in der anderen. Ein großes Hallo ging durch die Reihen, als wir unsere preußischen Köpfe zur Tür reinsteckten. Und gleich wurde an einer Ecke auf den Tisch geklopft. „Hier is no frei!“ rief einer. Und ich schob, wild und risikobereit, meine Reisegruppenmitglieder zu der Ecke. Wir hockten uns dazu und wurden unter viel Gegrüße Willkommen geheißen.

Es hatte uns in den Ausflug einer Allgäuer Blaskapelle aus der Nähe von Kaufbeuren verschlagen. Und schon waren wir mitten drin, im Brauchtum. Es gab Armdrücken, es gab lautes Lachen, es gab viel Bier, es gab Jauchzer und Jodler.
Und es gab einen Burschen, der seit unserem Eintreten wie ein vom Blitz getroffener Elch auf seinem Stuhl hockte und das Wolkenköpfchen anstarrte.
Wir bestellten Getränke, eine Erdbeermilch für mich, eine Bananenmilch fürs Wolkenköpfchen, ein Weizen für den Gutfrisierten, bestellten Kraut und Bratkartoffeln und unterhielten uns. Wir saßen am vermeintlichen Seniorenende des Tisches. Die Jugend saß weiter vorne. Unsere Getränke kamen, wir prosteten in alle Richtungen, wurden tausend Sachen gefragt, über unsere Herkunft, wie lang wir schon da seien, wie lange wir noch da sein würden; wir fragten zurück, was für Musik sie machen würden, wie oft sie proben, was sie auf die Alpe verschlagen habe.
Und dann knallten plötzlich zwei gefüllte Weizengläser auf den Tisch und neben dem Wolkenköpfchen quetschte sich der Elch auf die Bank. Mit schon glasigen Augen lud er sie auf ein Bier ein.
Unser Fehler: Wie hatten das Wolkenköpfchen nicht mittig zwischen Mutter und Vater platziert.
Sein Fehler: Das Wolkenköpfchen trinkt kein Bier.
Er quatschte dann ständig auf sie ein, sie wand sich und fand das nicht witzig, ich dafür um so mehr. Er wollte ihre Nummer und gab ihr sein Handy, auf dass sie diese eintippen sollte. Ich nahm das Handy und tippte die Nummer des Gutfrisierten ein. Ich sagte ihm, wenn er Emma sprechen wolle, könne er erst einmal ihren Vater anrufen und fragen, ob sie Zeit habe.
Dass sie Milch trank, wollte ihm einfach nicht in den angetrunkenen Kopf. Und auf Grund der sprachlichen Unterschiede verlief die Konversation zwischen den Beiden nicht reibungslos. Ich aß dann meine Bratkartoffeln und versprach ihr, einen baldigen Abflug. Bis dahin nahm das Werben des Buam seinen Lauf und das Gejohle seiner Kumpane ebenso.
Ich wollte das Wolkenköpfchen jetzt nicht ewig quälen, weshalb ich dann zum zügigen Aufbruch mahnte. Wir müssen ja auch noch unsere Koffer packen. Der Bursche war schon ein bisschen traurig. Wir verabschiedeten uns unter dem gleichen Gejuchze wie beim Hereinkommen. Das Wolkenköpfchen wurde noch lauthals gefragt, wie alt sie sei, ob sie bleiben wolle, aber sie klemmte sich an ihren Eltern fest wie eine Nacktschnecke auf dem Brokkoli.
Kaum hatten wir die Hüttte verlassen, bekam ich einen so furchtbaren Lachanfall, dass ich kaum noch laufen konnte und fast die Blasenkontrolle verlor.
Dieser arme, angetrunkene Kerl. Der wird morgen von den anderen Bläsern verarscht werden. Das wird schön. Und das Wolkenköpfchen werde ich gern immer wieder erinnern an diesen legendären Abend, als sie einen Allgäuer ins Herzeleid stieß.

Nach all dem Brauchtum kehrten wir zurück in die Wohnung, nun packen wir und morgen früh geht es los, zurück zur Familie, die uns schon von Herzen vermisst.
Hoffentlich steht das Haus noch und hoffentlich sieht es nicht ganz so arg dreckig aus.

Auf jeden Fall möchte ich bald wieder eine Reise machen. Es ist so ereignisreich und voll mit Erfahrungen, die man sonst nicht macht.
Semmeln, Kasspatzn, Kruzifixe, Berge, Herzkasperl und die Liebe. So sollte ich die Woche wohl nennen.

Reisebericht, zweiter Tag

20 Montag Aug 2018

Posted by fraulavendula in Allerlei, Bekloppt, Rama-Familie

≈ 7 Kommentare

Die Nacht, oh diese Nacht. Ich nutzte die Nacht, um meine Käsevergiftung auszukurieren. Um das genauer zu erklären, muss ich ein Frauen-Tabu-Thema ansprechen. Die Flatulenz. Entsorgung unphysiologischer Gasansammlungen des Magen-Darm-Bereichs. Offensichtlich hatten die geschätzt fünfhundert Gramm Käse mit Zwiebel eine verheerendere Auswirkung als noch am Abend vermutet. Wie ein gestrandeter Wal lag ich auf dem Bett, mit dem bleichen und aufgetriebenen Bauch nach oben. Es machte Geräusche innen drinnen, als hätten sich mehrere Aliens dort eingenistet und spielten Räuber und Gendarm.
Kurz gesagt, auch Frauen furzen. Sie versuchen es mit Würde, Grandessa und Noblesse. Nach einer Käsevergiftung geht aber zuallererst die Würde flöten. Alles andere folgt den Bach runter.
Irgendwann schlief ich ein. Um halb vier war es noch nicht wirklich besser. Um acht aber schon. Der Bauch war annähernd in normaler Schwabbelform zurück, kein Trommelbauch mehr.
Die Folge ist, keiner braucht mir mehr mit Käse zu kommen, in den nächsten Tagen. Oder Wochen. Jahren?

Morgens früh wurde gutgelaunt allerlei eingekauft. Frühstückswaren, Getränke, was man so braucht. Und nach einer kleinen Mahlzeit zog sich die Reisegruppe Wanderschuhe an die Füße und machte sich auf zur Klamm. Die sollte mit digitaler Hilfe gefunden werden. Ich glaubte dem Digital auch erst einmal. Bis wir an einer Straße standen, für die ein eindeutiges Verkehrsschild die Weiterfahrt nicht erlaubte.
Ich hatte mich schon vorher gewundert, schien mir die Richtung irgendwie nicht korrekt. Aber mir wurde hin und wieder gesagt, ich solle dem Digital vertrauen und einfach dort entlang fahren, wo er sagt.
Ich drehte dem Digital nun aber kurzentschlossen den Saft ab, den Hahn zu, was auch immer, dann fuhr ich auf gut Glück, nach Gefühl und Pi mal Daumen. Nach fünfundzwanzig Minuten hatten wir unser Ziel erreicht. Geht doch.
Dann fanden wir auch noch einen Parkplatz und los ging es.

Eine Klamm.
„Eine Klamm ist ein im Festgestein eingeschnittenes, schmales Tal. Das Wort Klamm ist vor allem im österreichischen und bairischen Sprachraum geläufig und bezeichnet eine besonders enge Schlucht im Gebirge mit teilweise überhängenden Felswänden.“
Dem gibt es an Erklärung nichts mehr hinzuzufügen.
Die roten Pfeile auf dem nun folgenden Bild zeigen das Loch, welches der Eingang in die Klamm ist.

Klaustrophobie kann man sich an diesem Ort nicht leisten. Im weiteren Verlauf zeigte sich, dass Höhenangst ebenfalls nicht ratsam ist. Und zu guter Letzt darf man dem eigenen Körper gegenüber nicht zimperlich sein. Was sich mit vierhundertfünfzig Höhenmetern anhört wie ein Spaziergang, entpuppt sich in der Realität als eine Angelegenheit, die über Leben oder Sterben entscheidet.
„Sollen wir zurückgehen?“ wurde ich regelmäßig von den Mitgliedern der kleinen Reisegruppe gefragt, wenn ich wieder japsend über einem Geländer hing, hinter welchem es gefühlt tausend Meter in die Tiefe ging und ich mir überlegte, wie schnell ich doch wieder unten sein könnte.

Aber wer bin ich? Memme oder Mutprotz? Also, den Mutprotz, den trage ich wie einen Fatsuit um mich rum. Innen heult die Memme, dass ich mich offensichtlich einem Herz-Kreislauf-Versagen am Berg hingeben will.
Und so krabbelte ich immer weiter. Alles pochte, klopfte, triefte vor Schweiß, ich schnaufte wie eine olle Lokomotive, aber ich dachte, ich kann das. Ich will das jetzt können. Alle zehn bis zwanzig Kletterschritte blieb ich stehen, um irgendeinen Scheißblick zu bewundern. Ich sehnte mich nach einer Flasche Sauerstoff. Und wenn Familien mit Kindern an mir vorbeizogen, dann fühlte ich mich auf seltsame Art erniedrigt. Fünfjährige kleine Penner, die auch noch zwischendurch hüpften.

Nach knapp einhundertfünf Minuten waren wir irgendwo angekommen. Oben. Und ich war kurz davor, die Bergrettung einzufordern. Sollte doch bitteschön ein Hubschrauber kommen, um mich hinunter zum Parkplatz zu fliegen. Alsdann würde ich mich ins Auto werfen und mit meinen mit Wanderstiefeletten bekleideten Füßen das nörgelige Gaspedal bis zum Bodenblech durchtreten und zurück in die Wohnung rauschen.

In der Ferne grollte ein Donner. Ich sprang nach einigen Schlucken abgestandenen und lauwarmen Wassers und einem halben Müsliriegel auf und ermahnte zum schnellen Abstieg. Man kennt das ja. Das Unwetter bricht über die bergsteigenden Wandersleute herein und keiner überlebt. Oder vielleicht maximal einer, der dann die Geschichte des Unglücks verfilmt, massenhaft Geld damit verdient und niemals mehr zu arbeiten braucht. Ich wäre das ganz sicher nicht. Bei Gewitter am Berg oder gar in der Klamm würde ich schon allein vor Angst sterben. Ich hätte keine Chance.

Unten kamen wir übrigens schon nach zwanzig Minuten an. Sehr lustig, wie schnell man irgendwo herunterkommt, wo man vorher mühevoll hinaufgestiegen ist. Es kamen uns noch ein paar suizidale Klettermaxe entgegen, denen ein Donner egal war. Es gab letztlich auch kein Gewitter. Aber es hätte eins geben können. Und dann hätten wir Probleme gehabt.
Egal. Die anderen Klettermaxen schnauften übrigens auch sehr ordentlich beim Aufstieg, während ich lässig die Klamm hinunterturnte.
Ein Frau ranzte ihren Mann an: „Beim nächsten Mal Strand, mein Lieber!“ und zwar an einer Stelle, an der ich vor gar nicht langer Zeit exakt dieselbe Äußerung tat. Vermutlich hing das mit diesen komischen Wurzeln zusammen, die einem ein Bein stellten.

Später saßen wir im Auto, ich fuhr zurück dahin, wo wir hergekommen waren und warf mich auf den Balkon, wo ich langsam ausdampfte. Ich trank Zitronenlimonade, las ein bisschen Zeitung und dann sprang die restliche Reisegruppe auf, zog sich wieder die Wanderschuhe an und marschierte los, hinauf auf den Grünten. Ich winkte ihnen hinterher und dachte, wie bekloppt kann man sein?

Nur vier Stunden später, kurz vor Sonnenuntergang und kurz vor einem Nervenzusammenbruch meinerseits, wo sie denn bloß bleiben würden, tauchten sie wieder auf. Jetzt können sie nur noch sitzen oder liegen. Morgen, so vermute ich, gibt es eine Wanderpause. Ich habe nichts dagegen. Ich fahre dann ins Städtchen und ziehe mir ein Spaghettieis in der Eisdiele am Marktplatz rein.

Der zweite Tag der Reise war ganz großes Kino. Ich bin weit über meine Grenzen gegangen und erwarte in den nächsten Tagen eine Beglückwünschung durch den Bundespräsidenten für meine Verdienste um den Behindertensport.

Selten so nah am Tode hantiert. Echt mal.

← Ältere Beiträge

Schubladen

  • Adventskalender
  • Allerlei
  • Bekloppt
  • Beziehungsberatung
  • Gattenbashing
  • Hausfrauentips
  • Im Wald
  • Kinder-Bashing
  • Krisengerüttel
  • Lavendel-Bücherei
  • Lebensmittel
  • Nachbarn
  • Rama-Familie
  • So daher
  • Zwölftel

Wolke

Adventskalender Allerlei Bekloppt Beziehungsberatung Gattenbashing Hausfrauentips Im Wald Kinder-Bashing Krisengerüttel Lavendel-Bücherei Lebensmittel Nachbarn Rama-Familie So daher Zwölftel

Blogroll

  • Schweizer Änni
  • Nieselpriem
  • Frau Haessy
  • Alex
  • Juliane
  • Annika
  • Glumm
  • Schwesters Garten
  • Nähbloggen
  • Andrea Harmonika

Vergangen

Bloggen auf WordPress.com.

Abbrechen